Der neue Kárahnjúkar-Staudamm stellt alle bereits vorhandenen Wasserkraftwerke in seinen Schatten. Mehr als 4600 Gigawatt jährlich produziert das Kraftwerk seit April 2007 für die Aluminiumschmelze in Reydarfjördur. Zur Energiegewinnung werden die zwei Gletscherflüsse Jokulsa a Dal und Jokulsa i Fljotsdal vom Vatnajökull seit September 2006 gestaut. Rund 57 Quadratkilometer Fläche bedeckt der Stausee mittlerweile. Insgesamt hat der Staudamm drei Dämme. Einen mittleren mit Beton beschichteten Damm aus Steinschüttung und zwei kleinere Seitendämme. Der mittlere Kahranjukastifla-Damm ist mit einer Höhe von 193 Metern und einer Länge von über 700 Metern der längste (Foto Blick auf Staumauer). Mehr als 8,5 Millionen Kubikmeter Füllmaterial wurden dafür benötigt. Die beiden Seitendämme, der Desjarstifla und der Saudardalsstifla erscheinen dagegen winzig. Ist der Staudamm komplett gefüllt, befindet sich der Wasserspiegel 625 Meter über NN. Das Wasser stürzt dann über ein Betonüberlaufrohr 90 Meter in die Tiefe.
Die Grundlage für das Projekt wurde im Jahr 2001 mit dem erfolgreichen Abschluss einer Umweltverträglichkeitsprüfung geschaffen. Im Jahr 2002 begann man mit dem Bau der Vorbereitungsarbeiten, wie dem Errichten von Baustellenstraßen. Ein Jahr später begannen die beiden verantwortlichen Firmen, eine italienische und eine Firma aus Island, mit den Arbeiten an den Dämmen. Wie oben bereits erwähnt begann man im September 2006 mit dem Aufstauen des Wassers.
Trotz der erfolgreichen Umweltverträglichkeitsprüfung äußern sich bis heute Naturschützer, Politiker und viele andere negativ über das Projekt. Zum einen befindet sich der Damm auf seismisch instabilem Untergrund und zum anderen verstößt er gegen die ökologischen und sozialen Standards der Weltkommission für Staudämme (WCD). Des Weiteren befindet er sich auf der schwarzen Liste der Staudämme des World Wide Fund for Nature (WWF). So kann ein Erdbeben verheerende Auswirkungen auf die Staumauern haben. Aber auch ein Vulkanausbruch unter dem Eis des Vatnajökull hat einen negativen Effekt auf den Staudamm. Die dabei entstehenden Gletscherläufe können die Statik der Staumauern vor große Probleme stellen. Natürlich hat man derartige Szenarien bei der Erbauung des Kárahnjúkar-Kraftwerks berücksichtigt und versucht sich auf etwaige Naturereignisse einzustellen. So kommen beispielsweise weitere Turbinen zum Einsatz, welche den Druck mindern sollen, falls dieser einen gewissen Wert überschreitet. Diese Möglichkeit wird häufig schon während der Sommermonate genutzt, wenn bei erhöhter Schneeschmelze dem Stausee mehr Wasser zukommt, als in den Wintermonaten.
Ein weiteres Risiko stellt der positive Porenwasserdruck an den Hängen der Staumauern dar. Bei völliger Sättigung der Poren mit Wasser, ist die Oberflächenspannung im Porenwasser und somit die bindungsverstärkende Wirkung verschwunden. Hinzu kommt, dass eine Wassersättigung der Poren sogar zu Auftriebskräften führt und dadurch der Zusammenhalt des Materialkörpers zusätzlich vermindert wird. Dies kann zu viskosem Fließen des Bodens führen, was am Hang rechts des Kárahnjúkastífla schon gut zu erkennen ist. Die am Hang zu sehenden Solifluktionsloben sind ein erster Hinweis auf die schon jetzt vorherrschenden Hangbewegungen.
Seit der Fertigstellung im Jahr 2006 wurden 60 Quadratkilometer Land geflutet. Dadurch verschwanden circa 70 Wasserfälle, zahlreiche Weideflächen für die letzten Rentiere und eine Landschaft mit seltenen Pflanzen. Zudem warnten die Umweltschützer vor einer veränderten Flusslandschaft unterhalb des Staudammes. Experten des Aluminium-Konzerns Alcoa sahen allerdings nur geringe Auswirkungen auf Flora und Fauna.
Ein weiterer großer Kritikpunkt ist das Investitionsvolumen von 1 Milliarde Euro. Zwar liefert der Staudamm enorme Energien, aber die Wartungsarbeiten und die Gefahr durch Erdbeben und Vulkanausbrüche ist enorm. Zu den Wartungsarbeiten gehört das ständige Beseitigen der Sedimentfracht des Gletschers, die sich hauptsächlich am Fuß der Staumauer ablagert. Kommt es hier zu Versäumnissen, ist die Stabilität der Staumauer durch den zusätzlichen Druck gefährdet. Viele Kritiker zweifeln dadurch an der Rentabilität des gesamten Projektes.
Ein positiver Aspekt sind sicherlich die entstandenen Arbeitsplätze. Am Staudamm und im Aluminiumwerk haben rund 800 Leute einen dauerhaften Job gefunden. Auch am Bau des Staudammes waren einige Isländer angestellt. Der Großteil der Arbeiter stammte jedoch aus Portugal, Italien und China.